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Beitrag vom 29.04.2003
Frauen & Geld
Sharon Adler
5 Jahre finesse, die Frauenfinanzberatung. Ein Gespräch mit der Geschäftsführerin, Barbara Wambutt.
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AVIVA-Berlin: 17. April 2003: Fünf Jahre Finesse - was für ein Resümee ziehen Sie?
finesse: Mittlerweile haben wir über tausend Frauen beraten. Wir sind sehr glücklich, dass wir so einen Zuspruch gefunden haben - nicht nur hier im Kiez in Schöneberg, sondern in ganz Berlin, auch in Brandenburg, selbst in Westdeutschland haben schon Frauen den Weg zu uns gefunden: über unsere Website oder auf Empfehlung. Immer mehr Frauen haben festgestellt, dass sie die Beratung von Frauen für Frauen besser finden.
AVIVA-Berlin: Stichwort: "Weiblich Wirtschaften". Investieren Frauen anders, sind Frauen vorsichtiger in ihrer Finanzplanung?
finesse: Die Frauen erwarten mehr, denken mehr nach, wollen die Zusammenhänge verstehen. Sie erwarten, über alle Vor- und Nachteile informiert zu werden. Sie wollen nicht in irgendwas gedrängt werden, wollen Zeit haben, nachfragen zu können. Sie führen mindestens zwei - drei Gespräche, ehe sie sich für oder gegen etwas entscheiden.
AVIVA-Berlin: In welchen speziellen Situationen lassen die Frauen sich beraten? Oft fragen sie sich erst kurz vor der Scheidung "Wie bin ich überhaupt finanziell abgesichert?"
finesse: Man muss den Frauen klarmachen, was ihnen zusteht, dass eine Ehe keine Einbahnstrasse ist und hier keine Sicherheiten gelten, auch wenn die Beziehung glücklich ist.
Die Männer sind meist viel cleverer und schneller. Die private, finanzielle Situation ist ganz entscheidend: Frauen entschließen sich wegen der Kinder, zuhause zu bleiben, oder planen einen Wiedereinstieg, ein Kinderwunsch besteht. Wir weisen auf Versorgungslücken hin und bieten Lösungsvorschläge an. Wir führen auch gemeinsame Gespräche mit den Partnern und schnüren ein individuelles, maßgeschneidertes Paket, was auch immer mal wieder in größeren Abständen überprüft werden muss.
AVIVA-Berlin: Weg vom Thema Altersvorsorge und in Richtung Fonds-Geschäfte und Investitionen. Wie sieht es bei einer Geldanlage in Immobilien aus?
finesse: Optimal ist es, sich nicht nur auf eine Anlageform zu konzentrieren, sondern Ergänzungsformen zu finden. Entscheidend für eine Geldanlage ist der Anlagehorizont, d.h. Anlagedauer und die Risikobereitschaft. Muss man jederzeit an das Geld herankommen können, da Steuern oder unvorhergesehene Ausgaben anfallen bzw. Geldeingänge ausbleiben, scheiden Fondsanlagen aus. Wer aber neben einer konservativen Grundabsicherung noch Freiräume für eine Anlage über 10 Jahre und mehr hat, sollte eine Fondsanlage wagen, da diese aussichtsreiche Ertragschancen bietet. Immobilien sollten nur zur Eigennutzung erworben werden. Eine reine Geldanlage ist unflexibel. Als Alternative bieten sich offene Immobilienfonds an.
AVIVA-Berlin: Nun gibt es ja die unterschiedlichsten Frauen. Zum Beispiel die Freiberuflerin, die sich aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation fragt: "Wovon soll ich denn jetzt noch was zurücklegen?"
finesse: Eine Analyse der wirtschaftlichen Situation und konkreten Ausgaben zeigt in den meisten Fällen Möglichkeiten auf. Manchmal hilft schon eine Optimierung vorhandener Geldanlagen, der Ausschluss unnötiger bzw. Änderung von Versicherungen, die Ausnutzung steuerlicher Vorteile im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge sowie staatlicher Förderungen, die Einbeziehung von verdienenden Partnern.
Die Schwerpunkte setzt jede Frau anders. Es ist aber falsch, diese Frage immer zu verdrängen und den Kopf in den Sand zu stecken. Anfangen heißt es und Stück für Stück sich der optimalen Vorsorgeaufwendung, die sich errechnen lässt, annähern. Es nie aus den Augen verlieren.
AVIVA-Berlin: Sollten Frauen mehr Risikobereitschaft zeigen?
finesse: Ja, ich denke schon. Sie sind oft zu vorsichtig, auch bei relativ sicheren Anlagen.
Jede Frau sollte sich viel mehr mit den grundlegenden Begriffen der Finanzwelt befassen, damit sie Banken, Versicherungen und andere Anbieter besser verstehen und die entscheidenden Fragen stellen können.
AVIVA-Berlin: Wenn Sie jetzt noch mal zurückblicken: Fünf Jahre Finesse - Sie haben ja mit Sicherheit vor 5 Jahren anders beraten als heute.
finesse: In den letzten 5 Jahren hat sich auf dem Finanzsektor enorm viel entwickelt. Der Staat sorgt für immer neue tiefgreifende Veränderungen auf dem Gebiet von Steuern und Sozialsystemen. Nicht selten handelt es sich dabei um Schnellschüsse, die nicht bis zu Ende gedacht sind. Auch in der Beratung wird es immer schwieriger, den Überblick zu behalten.
Wir haben sehr viel Erfahrung gesammelt. Anbieter, die vor fünf Jahren top waren, zählen jetzt zu den schlechteren.
Das sind Entwicklungen, die man zur Kenntnis nehmen muss, aber auch nicht voraussehen kann. Das muss man natürlich auch dem Kunden vermitteln können. Viele denken dann vielleicht "Ich bin fehlberaten worden". Viele, die vor drei Jahren Aktien gekauft haben, verdrängen heute auch allzu gern das in der Beratung Gesagte, dass die Börse auch in die andere Richtung gehen kann. Im Nachhinein sind alle schlauer, vor allem die Medien und auch der Gott Stiftung Warentest.
AVIVA-Berlin: Frauen und Geld -gespaltenes Verhältnis?
finesse: Ja, sagt man so, nicht wahr? Es gibt verschiedene statistische Erhebungen, in denen immer wieder festgestellt wird, dass sie da immer noch ein gebrochenes Verhältnis haben. Das war eben immer die Domäne der Männer. Wenn man sich aber Frauen anschaut, die eine Firma gegründet haben, sind sie oftmals erfolgreicher, weil sie einfach mehr tragen können, auch langfristiger denken, mehr planen als Männer.
AVIVA-Berlin: Weil Frauen auch eher gelernt haben für andere zu sorgen?
finesse: Ja, sie fühlen sich viel mehr verantwortlich, das ist bei Männern eben doch nicht so, die wollen auch nicht an die Zukunft und Absicherung denken, die Frage kommt eben gar nicht so auf. Frauen sind da anders.
AVIVA-Berlin: Welche Zukunftspläne haben Sie mit Finesse, können Sie sich vorstellen, weitere Finesse-Filialen zu eröffnen?
finesse: Ja, wir haben schon mit dem Gedanken gespielt, weitere Standorte zu eröffnen, aber das ist auch ein wirtschaftliches Problem. Wir sind eben kein gemeinnütziger Verein, sondern von den Abschlüssen, die wir vermitteln und den Einnahmen, die wir daraus erzielen können, abhängig. Wir können nur gute Arbeit leisten und hoffen, dass wir weiter empfohlen werden und auch die Möglichkeit bekommen, unabhängig weiterzukommen. Mit den Veränderungen die ab 2005 durch Beschlüsse der EU anstehen, wird uns das Leben leider etwas erschwert.....
AVIVA-Berlin: Was steht da an?
finesse: Grundsätzlich ist die Festlegung zu begrüßen, dass nur ausgebildete Finanzberater und Finanzdienstleister tätig sein dürfen. Da verschwinden endlich viele schwarze Schafe vom Markt. So bleiben 400.000 unabhängige Finanzberater auf der Strecke, da die Voraussetzungen dafür derzeit nur Banken und Ausschließlichkeitsvertreter für eine Versicherung erfüllen. Die von immer mehr Kunden gewünscht unabhängige Beratung stände damit vor dem Aus. Deutschland hat in der EU eine Entwicklung verpasst, Einfluss zu nehmen. Nun müssen Anpassungs- oder Übergangsgesetze verabschiedet werden. Leider ist der Spielraum dafür sehr klein geworden.
AVIVA-Berlin: Viele springen ja auf die Schiene auf:"Na, jetzt machen wir mal eine spezielle Frauenberatung."
finesse: Ja, aber es gibt keine speziellen Produkte :gerade Versicherungen haben vorgeschriebene Kalkulationsrichtlinien zu befolgen, was in der unterschiedlichen Lebenserwartung von Frauen und Männern begründet ist. Natürlich kann durch ein höheres Maß an Flexibilität auf die spezielle Situation der Frauen eingegangen werden. Es gibt auch keinen speziellen Fonds für Frauen. Da herrschen dieselben Gesetze wie bei anderen Fonds.
Es gibt keine Aktiengesellschaft nur für Frauen, es gibt höchstens Frauenfonds mit Produkten, die Frauen kennen und nutzen, Kosmetika etc. Aber nichts, was nur von Frauen gemanagt wird.
AVIVA-Berlin: Das müssten von Frauen geführte Unternehmen sein, die nicht unbedingt Produkte für Frauen anbieten.
finesse: Aber die müssten an die Börse gehen, was ja ein langwieriger Prozess ist. Wer soll das Unternehmen kaufen, wer soll da investieren? Das ist derzeit noch schwer vorstellbar.
AVIVA-Berlin: Dadurch würden aber Frauen anderen Frauen wirtschaftliche Macht in die Hände legen!
finesse: Ja, aber der Wert eines Fonds wird ja auch bestimmt durch den Anteil der einzelnen Unternehmen, die da drin sind, und selbst wenn Frauen dort mehr Einfluss haben: der Kurs wird an der Börse durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Das Konzept kann noch so gut sein, und trotzdem sinkt der Kurs. Man muss auch bei solchen Fonds immer wissen, dass es Risiken gibt. Er unterliegt den Gesetzen des Marktes wie jeder andere auch.
Aber vielen Frauen ist es ein Bedürfnis, in eine gute Sache zu investieren. Zum Beispiel in Fonds, wo die Ausschüttungen in eine Bildungseinrichtungen gehen.
Eine Frauenbank ist bisher leider auch noch nicht zustande gekommen, die ist seit fast zwei Jahren immer noch in Gründung. Das wird durch Männer, die Entscheidungen treffen, erschwert.
AVIVA-Berlin: Was ist Ihre Prognose und Empfehlung? Wie könnte Frau das ändern?
finesse: Frauen sollten sich viel mehr mit solchen Fragen beschäftigen. Sie sollten ihre Geschicke selber in die Hand nehmen.
Je mehr Wissen sie haben, desto besser. Wenn sie in eine Bank gehen, müssen sie die entsprechenden Fragen finden, nicht locker lassen. Wenn man in einer Bank war, weiß man was dort geht und was nicht. Das A und O ist ein selbstbewußtes Auftreten. Männer können sich besser verkaufen, wenn sie etwas wollen, beispielsweise Kredite. Frauen sind häufig viel zu ehrlich, zu offen, und sie zweifeln auf allen Gebieten.
Mehr Informationen zu finesse:
www.frauen-finanzberatung.de